Donnerstag, 5. Mai 2016

Tierische Findelkinder



-krk- „Oh, sind die süß!“ „Guck mal, wie goldig!“ Solche begeisterten Ausrufe hören Kornelia Reich und deren Lebensgefährte Stefan Holzmann von der Auffangstation „Wildtierrettung Rheine und Umgebung“ derzeit häufiger. Das
ist nicht verwunderlich angesichts der 21 tierischen Waisenkinder, die die beiden gerade aufziehen. 
 
Viel Schlaf gibt es in den letzten Wochen allerdings nicht. Alle drei Stunden muss einer der Beiden raus, um die Kleinsten - vier Eichhörnchen und zwei winzige Wildkaninchen mit der Flasche oder einer Einwegspritze zu füttern. „Eine Stunde ist da schnell weg“, erzählt Reich, die gerade wieder beim Füttern ist. Doch nur mit füttern ist es nicht getan. Das Bäuchlein der Kaninchen muss massiert werden, damit die Kleinen verdauen können.


 Anschießend wird der Geschlechtsbereich mit einem Papiertuch abgetupft damit das Baby Kot und Urin absetzen kann. „In der Natur leckt die Mama ihre Jungen einfach ab, wir machen das etwas anders“, sagt die Tierfreundin schmunzelnd. Zum Glück geht das mit dem Saubermachen aber relativ flott. Zwischen den Mahlzeiten benötigt der Nachwuchs wenig Beschäftigung. Ganz artig wird in der zum Kinderbett umfunktionierten Babymütze geschlafen. In einem optisch kaum zu entwirrenden Kuschelhaufen aus braungrauen Fell. „Wenn sie wenige Tage alt sind, sehen sie aus wie kleine Nilpferde, Augen zu, Ohren sind angelegt und nur ganz kurzes Fell - kaum zu glauben dass die später mal wirklich Wildkaninchen werden“, lacht die 31-Jährige.

Gerade kommt ein kleines Eichhörnchen aus ihrer Jackentasche hervor, mal schnuppert es neugierig, mal schubbert es sich an Reichs Wange, mal trinkt es konzentriert die Aufzuchtmilch. Einfach putzig und wer das Kleine sieht, ist versucht, dem flauschigen Wildfang über das zarte, braune Fell zu streicheln, doch dass ist nicht erlaubt. „Es sind immer noch Wildtiere und je weniger sie Kontakt mit Menschen haben, um so leichter fällt ihnen später das Auswildern“, betont Konni. Appropo Auswildern – gerade erst wurden die Tauben Ringel, Luna, Trudi und Crazy, die im letzten Jahr verletzt aufgefunden und von Reich gesund gepflegt wurden, in die Außenvoliere entlassen und können sich schon einmal auf die Freiheit vorbereiten. Noch kurz zuvor war die Voliere das Winterquartier von Hope, einem Igelweibchen. 

 
Die vier Eichhörnchenkinder sind in den wenigen Tagen die sie jetzt bei ihren Pflegeeltern sind, schon deutlich gewachsen. „An guten Tagen nehmen sie bis zu 100 Gramm zu“, freut sich Reich. Das liegt vermutlich an der besonderen Milch die die Kleinen bekommen. Diese wird aus einem Ziegenmilchpulver angerührt, die auch für Hunde- und Katzenwelpen aber eben auch für andere junge Säugetiere wie Igel, Kaninchen, Hasen, Frettchen, (Fleder-) Mäuse, Eichhörnchen und Chinchillas geeignet ist. „Ziegenvollmilch hat für junge Tiere von Natur aus eine bessere Zusammensetzung als Kuhmilch. Sie ist leichter zu verdauen und ist nahezu identisch mit der echten Muttermilch. Von Kuhmilch würden die Baby nur Durchfall bekommen “, weiß die Tierarzthelferin. 


Die vier Eichkatzen kuscheln sich inzwischen in eine Flauschdecke, die zu einem Kogel umfunktioniert wurde, sind schon deutlich aktiver und futtern kleine Nüsschen und Cornflakes. Doch auf die Milch sind sie noch einige Wochen angewiesen. „Wir benötigen mittlerweile fast 1 Kilogramm Aufzuchtsmilchpulver in der Woche, dazu kommen Nahrungsergänzungsmittel, Eichhörnchenfutter, Heu, Nüsse, Einstreu Einwegspritzen und vieles, vieles mehr. Schließlich haben wir nicht nur Eichhörnchen, Hasen und Kaninchen zu versorgen, da ist noch unser Siebenschläfer Robin und unsere ganzen Tauben. Im Laufe des Frühjahrs kommen sicherlich wieder einige Enten, Amseln, Mauersegler, Tauben, Elstern, Krähen und Dohlen und im Herbst dann wieder Fledermäuse, Mäuschen und Igel zu uns“, vermutet Reich.




Plötzlich steht ihr Freund Stefan Holzmann in der Tür und sagt: „Du Schaatz,wir haben Nachwuchs.“ Und tatsächlich, in der Zeit in der Reich gerade das Interview gibt, wurde an der Tür das nächste Findelkind abgegeben – ein weiteres Wildkaninchen. Nachdem Konni Reich das Tierchen eingehend begutachtet und nach Flöhen durchsucht hat, kommt es zu den anderen Wildkaninchen, die es gleich in ihre Patchworkfamilie aufnehmen.
Unterstützung hat Reich übrigens nicht nur von ihrem Freund und ihren Eltern (in deren Garten sich die Außenvoliere befindet). Auch ihre Chefin, Tierärztin Carolin Specker, hilft den Tieren und steht Konni bei allen Fragen zur Seite. Sie hat noch nicht einmal etwas dagegen, wenn Konni eines ihrer Findelkinder mit zur Arbeit nimmt, um dieses zwischenzeitlich versorgen zu können. „Einen besseren Chef kann man nicht finden“, ist sich die Rheinenserin sicher. 
 
Die „Wildtierrettung Rheine und Umgebung“ ist als Pflegestelle beim Tierschutzverein Rheine, Eichhörnchen Notruf, beim NABU und auch bei der Mauerseglerklinik Frankfurt gelistet, bekommt aber nur wenig finanzielle Unterstützung. „Deshalb sind wir bei unseren Wildtier überwiegend auf Spenden angewiesen, alleine ist diese Anzahl von bis zu 100 Tieren pro Jahr fast nicht zu bewältigen“, sagt Reich. Aus diesem Grund hat die junge Frau bei Amazon eine Wunschliste unter „Konni Reich“ erstellt, über die sich Eichhörnchen, Kaninchen und Co freuen würden, damit sie einen besseren Start ins Leben bekommen. Auch über Spenden von Babymützen und ausgedienten Handtüchern, freuen sich nicht nur Reich und ihr Freund, sondern auch ihre kleinen Findelkinder.


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